Internet-Sperrlisten: Deutsche Kinderhilfe startet bundesweite Unterschriftenaktion für das umstrittene Gesetz

Nach dem Erfolg der Online-Petition gegen die Sperrung von Internetseiten – inzwischen gibt es fast 77.000 Unterstützer – gibt es nun eine bundesweite Gegenaktion. Die Deutsche Kinderhilfe startet eine Unterschriftsaktion unter dem Titel STOP! – Kampf gegen Kinder“pornographie“, bei der unter anderem vor Fußballstadien Unterstützer-Unterschriften für das umstrittene Sperrlisten-Gesetz gesammelt werden sollen.

Natürlich haben auch die Befürworter des Gesetzes dasselbe demokratische Recht, Unterstützer zu gewinnen und grundsätzlich befürworte ich es sogar, wenn es mehr Aktionen rund um dieses brisante Thema gibt – egal ob pro oder contra. Denn je mehr Aktionen es gibt, desto mehr rückt das Thema in die Öffentlichkeit und ohne eine breite Diskussion in der Gesellschaft wird es nicht möglich sein, den notwendigen Kampf gegen Kindesmissbrauch und -pornographie zu forcieren. Die Aktion der Deutsche Kinderhilfe ist aber aus mehreren Gründen mehr als nur fragwürdig!. Sehr umfangreiche Artikel hierzu findet man bei dondahlmann.de, Die Welt, wie ich sie sehe und geekosphere.org. Hier die aus meiner Sicht wichtigsten Fakten:

  • Unterschrieben wird der Satz Ja, ich stimme für das Gesetz gegen Kinderpornographie im Internet. Es gibt hierzu keinerlei Erläuterungen, was genau das Gesetz bedeutet und erreichen will. Jeder Unterzeichner, der das Thema nicht kennt, wird mit gutem Gewissen unterschreiben können, denn schliesslich suggeriert der Text, dass mit dem Gesetz die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet verhindert wird. Es steht aber nirgendwo, dass durch das Gesetz die entsprechenden Websites weiterhin im Netz stehen bleiben!
  • In dem parallel veröffentlichten Infoblatt wird uns Unterstützern der ePetition gegen die Sperrlisten indirekt unterstellt, dass wir für ein Grundrecht auf Verbreitung kinder“pornographischer“ Seiten wären. Das ist nicht nur infam, das ist eine Lüge, denn schliesslich geht uns darum, dass diese Seiten nicht nur „verhüllt“, sondern komplett vom Netz genommen und die Ersteller strafrechtlich verfolgt werden!
  • Die Deutsche Kinderhilfe wurde 2008 vom Deutschen Spendenrat (DSR) geprüft und aufgrund von Intransparenz im Juni 2008 ausgeschlossen worden:

    „Die Gemeinnützigkeit der Deutschen Kinderhilfe insgesamt wird in Frage gestellt“, sagte der Spendenexperte des Deutschen Fundraising Verbandes, Christoph Müllerleile, auf Anfrage.
    Es handele sich um „ein selbst versorgendes System, das den Anspruch erhebt, Lobby für schutzbedürftige Kinder zu sein“. […] Der Vorstand bedauert das Verhalten, das die Kinderhilfe in den letzten Wochen gezeigt hat. Die verdeckte Massenabfrage unter den Mitgliedsverbänden mit nachfolgenden Massenabmahnungen hatte eindeutig politischen Charakter. „Hier hat ein Verband versucht, das System für sich zu instrumentalisieren und dabei billigend in Kauf genommen, dass alle Spenden sammelnden Organisationen in schlechten Ruf geraten und gemeinnützige Mittel für unnötige Rechtsstreitigkeiten verschwenden. Das kann man nicht akzeptieren“.

Interessant dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass die deutlich bekanntere und renommierte Kindeschutzorganistation CareChild ebenfalls gegen das geplante Gesetz von Zensursula ist, wie man hier und hier nachlesen kann.

Ergänzend:
Eine sehr interessante Grafik zum Thema Netzsperren schaffen Frühwarnsystem habe ich Dank Bits of Freedom gefunden. Durch die Netzsperren wird es den Anbietern sogar ermöglicht, frühzeitig zu erkennen, wenn Ermittlungen gegen sie laufen und es den Tätern somit ermöglicht wird, sich der Strafverfolgung zu entziehen!

Die aktuelle Diskussion zeigt immer mehr, warum das geplante Gesetz einfach nur falsch, unsinnig und sogar gefährlich ist. Daher wiederhole ich meinen Aufruf: Nehmt an der ePetition gegen das Gesetz für Internet-Sperrlisten teil!

Internet-Sperrlisten – interessante Artikel

Die Online-Petition gegen die Sperrung von Internetseiten hat aktuell über 73.500 Mitunterzeichner und auch wenn sich der Schwung neuer Unterstützer etwas nachgelassen hat: die Brisanz des Themas wird immer deutlicher und die Berichterstattung nimmt weiter zu. Ich habe daher mal ein paar – aus meiner Sicht – sehr interessante Artikel rausgesucht:

Zeit.de: Netzsperren – Digitaler Generationenkonflikt

„Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ – mit diesem Slogan kämpften die heute sogenannten 68er gegen die Borniertheit ihrer Väter und Großväter, gegen überkommene Einstellungen und starre Haltungen. Die Welt, in der sie damals lebten, hatte sich fundamental gewandelt und unterschied sich radikal von der ihrer Eltern. Die nachkommende Generation forderte, dass sich nun auch das Weltbild der Regierenden wandele. Wer den Lesern von ZEIT ONLINE zuhört, die hier diskutieren und ihre Meinungen äußern, kann das Gefühl bekommen, dass ein solcher Wandel gerade wieder stattfindet. Wieder ist es die nachkommende Generation, die sich nicht mehr ausreichend vertreten fühlt, die fordert, auch ihre Haltungen und Interessen müssten sich in der Politik widerspiegeln. Wobei Generation sich nicht über Alter definiert, sondern über eben dieses Interesse an dem technischen Instrument Internet.

Provinzblog: Seltsames Demokratieverständnis

Nach der Wahl Obamas zum ersten “Internet”-Präsidenten, waren sich alle Fachleute und Politiker einig: Das Internet ist ein toller Ort, Wähler zu mobilisieren. Am Internet, so der Tenor, käme in Zukunft keine Politiker mehr vorbei. […] Einen Gesetzesentwurf und eine Petition mit fast 70.000 Unterzeichnern später ist davon nichts mehr geblieben. Eindrucksvoll beweisen Spitzenpolitiker im Moment, was sie vom Internet und den Menschen die sich darin tummeln halten – gar nichts. Obwohl ständig und immerzu von der Wichtigkeit des Netzes für kommende Wahlkämpfe, sogar für kommende Regierungen gesprochen wird, ist das bei vielen Politikern scheinbar noch nicht angekommen. Die 70.000, die sich an der Petition gegen die Sperrung von Internetseiten beteiligt haben, werden Unisono als Unterstützer von Kinderpornografie gebrandmarkt. […] Als Unterstützer von Kinderschändern gebrandmarkt zu werden, ist eigentlich nicht mehr zu übertreffen.

Kamikaze-Demokratie: Wahlkampf mal anders
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Als ich heute von der Arbeit nach Hause gekommen bin, war ich sauer, richtig sauer. Da unterzeichnen mittlerweile über 60.000 Bürger die Petition gegen Internetsperren und die Statements unserer Abgeordnetengehobenen, treiben einem die Zornesfalten auf die Stirn.

Insgesamt sechs verschiedene Anti-Zensur-Banner hat kamikaze-demokratie.de online gestellt, die man sicherlich gut hier und da im eigenen Blog verwenden kann! Die Kurz-URL verweist im übrigen auf die Online-Petition – kann daher (aktuell noch) gefahrenlos aufgerufen werden 🙂 Zu den Themen Prefetching und Kurz_URL gibt es übrigens einen guten Artikel bei Netzpolitik.org.

Und dann habe ich noch einen sehr schönen Artikel rund um das Thema Zensur bei Spreeblick gefunden:

Und so gibt es auch und gerade beim Thema Zensur äußerst unterschiedliche Standpunkte. Wann fängt Zensur an und wo hört sie auf, gibt es Fälle, in denen sie berechtigt und sinnvoll ist oder ist jeder staatliche Eingriff in den privaten wie professionellen publizistischen Bereich bereits ein Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und somit ein Schritt in Richtung Diktatur?

Ich hoffe, dass die angestossenen Diskussionen weiterhin so konstruktiv wie bisher von Seiten der Blogger & Co. geführt werden. Schlimm genug, dass einzelne Vertreter der Regierungsparteinen hierzu scheinbar nicht in der Lage sind. So wie der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz, der sich von der massenhaften Unterstützung der Petition unbeeindruckt zeigt:

Das Gesetzgebungsverfahren wird dadurch nicht beeinträchtigt“, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Es sei zwar „das gute Recht“ eines jeden, Petitionen einzureichen. Allerdings seien die Maßstäbe der „sehr engagierten“ Internetnutzer „teilweise undifferenziert“

Seiner Einschätzung nach soll die Petition erst nach der Bundestagswahl im Herbst im Petitionsausschuss behandelt werden, während das geplante Gesetz noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werde soll. Wenn das der Umgang der Politik mit Kritik ist, dann brauchen wir uns in Deutschland ob der häufig genannten Politikverdrossenheit nicht zu wundern. Obwohl: die aktuelle Entwicklung zeigt, dass es weniger eine Politikverdrossenheit sondern eine Politikerverdrossenheit ist. Und das können nur die entsprechenden Politiker selber ändern. Jetzt ist die Zeit dafür!!!

Online-Petition gegen die Sperrung von Internetseiten mit mehr als 50.000 Unterzeichnern

Mal wieder zeigt sich, dass die Online-Welt der Twitterer, Blogger & Co. alles andere als ein politikfreier Raum ist und sich kritisch mit den populistischen Lösungswegen der Bundesregierung auseinandersetzt. Hintergrund ist aktuell die vom Familienministerium unter Führung von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und dem Bundeskriminalamt (BKA) beabsichtigte DNS-Blockade von Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten. Ziel dieser Gesetzesänerung ist es, durch das BKA sogenannte Speerlisten von Internet-Seite, die entsprechende Inhalte anbieten, erstellen zu lassen und diese Liste dann regelmäßig aktualisiert an die Provider weiterzureichen, damit diese Websites nicht mehr aufgerufen werden können.

Auf den ersten Blick klingt das nicht nur ehrenwert sondern auch sinnvoll, denn wenn derartige Websites nicht mehr aufgerufen werden können, nimmt man in dem Kampf gegen Kindesmissbrauch den Anbietern einen Distributionskanal und schützt damit die Opfer vor einem weiterem Missbrauch, in dem Bilder oder Filme ihres Missbrauches nicht mehr frei im Internet kursieren können. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Kampf gegen die Kinderpornographie eine der wichtigsten Aufgaben einer Gesellschaft und damit der Politik sein muss, erscheint jede Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung über das Internet als richtig und sollte begrüsst und unterstützt werden.

Warum hat es dann aber eine Online-Petition gegen die Sperrung von Internetseiten geschafft, innerhalb von gerade mal 4 Tagen die notwendige Mindestteilnehmerzahl von 50.000 Unterzeichnern zu erreichen und warum ist es sinnvoll und richtig, an dieser Petition teilzunehmen?

Weil die Argumente der Befürworter genauso löchrig sind wie der geplante Sichtschutz für illegale Inhalte! Weil das geplante Gesetz einen populistischen und dilettantischen Versuch darstellt, das Problem zu verdecken, aber nicht wirklich etwas gegen das Grundproblem tut! Weil es die technischen Voraussetzungen schafft, einen Zensurapparat ohne staatliche Kontrollgremien zu schaffen, dessen Auswirkungen heute noch keiner absehen kann!

Hier ein paar Grundinformationen, in dessen Folge ich z.B. das geplante Gesetz ablehne und mich an der Petition beteiligt habe:

  • Durch die Sperrlisten werden die bedenklichen Inhalte nicht entfernt, sondern lediglich gesperrt. Wer also einen Provider nutzt, der die Sperrlisten nicht nutzt – z.B. weil er im Ausland sitzt – kann diese Websites weiterhin aufrufen. Ausserdem ist es jedem Surfer möglich, durch Änderungen an seinen Einstellungen (Nameserver) innerhalb von weniger als einer Minute die DNS-Blockade zu umgehen! Anstelle nach Lösungen zu suchen, um die kinderpornographischen Inhalte richtig zu löschen, was der konsequentere und bessere Weg wäre, wird den Bundesbürgern nur vorgegaukelt, dass das Problem gelöst sei!
  • Das BKA erstellt diese Sperrlisten ohne Prüfungsinstanz! Somit entscheidet kein Richter, ob der gesperrte Inhalt wirklich gegen bundesdeutsche Gesetzte verstösst. Und es gibt weder eine unabhängige Institution noch eine Regelung, wie die gesperrten Websites wieder von der Liste gelöscht werden können.
  • Es gibt bereits erste Forderungen, auch ausländische Inhalte ohne Bezug zur Kinderpornografie zu reglementieren: so haben die hessische Landesregierung und Vertreter des BuchhandelsBlockaden gegen ausländische Glücksspielanbieter und Urheberrechtsverletzungen gefordert. Was kommt als nächstes? Die Sperrung von Regierungskritischen Blogs? Wer prüft, bis wann die Zensur noch richtig ist?
  • Ulrich Staudigl, Sprecher im Bundesjustizministerium, hat bestätigt, dass jeder Nutzer mit Strafverfolgung rechnen muss, wenn er dabei beobachtet wird, eine geblockte Webseite abzurufen! Da die Sperrlisten geheim sind und man anhand der Link-Adresse nicht unbedingt erkennen kann, was deren wirklicher Inhalt ist, gilt hier die Unschuldsvermutung eventuell nicht mehr.

Weitergehende und sehr detaillierte Informationen der Kritiker finden sich u.a über folgende Links:

Genau deswegen ist die Online-Petition gegen die Sperrung von Internetseiten so erfolgreich, wichtig und richtig. Weil das geplante Gesetz Kinderpornografie nicht bekämpft sondern nur das problem verdeckt. Weil es um unkotrollierbare Zensur und die Aufhebung der Gewaltenteilung geht! Doch wie regiert Ursula von der Leyen (Zensurursula) auf diese Kritik?

Eine zivilisierte Gesellschaft, einschließlich der Internetgemeinschaft, die Kinderpornografie ernsthaft ächtet, darf auch im Internet nicht tolerieren, dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann. Das Leid der Opfer ist real, nicht virtuell. Jeder Klick und jeder Download verlängert die Schändung der hilflosen Kinder

Wirtschaftsminister Guttenberg: Ahnunglos, aber betroffen
Wirtschaftsminister Guttenberg: Ahnunglos, aber betroffen
Und Wirtschaftsminister von Guttenberg erklärt in der Tagesschausendung vom 08.05.2009 um 14:00 Uhr:

Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben. Das ist nun wirklich einer der wichtigsten Vorhaben in vielerlei Hinsicht.

Die Kritiker des Gesetzes sind also nicht zivilisiert und befürworten im Umkehrschluss also kinderpornographischen Inhalte, weil sie gegen unkontrollierte Zensur und für eine richtige Bekämpfung des Kindermissbrauchs sind! Wahnsinn. Wer nicht für mich ist, ist gegen micht. Egal ob ich Recht habe oder nicht. Das ist Populismus in Reinkultur. Oder mit dem Worten eines unbekannten Verfassers bei den Kommentaren von Zeit.de frei nach Martin Niemöller:

Als sie Kinderpornografieseiten sperrten habe ich nichts gesagt, denn ich habe diese Inhalte ja nicht konsumiert.
Als sie Raubkopiererseiten sperrten habe ich nichts gesagt, denn ich habe ja nicht raubkopiert.
Als sie Blogs mit gesellschaftskritischen Inhalten sperrten habe ich nichts gesagt, denn ich war ja nicht gesellschaftskritisch eingestellt.
Als sie die Seiten von Oppositionsparteien und Gewerkschaften sperrten habe ich nichts gesagt, denn ich war ja nicht in der Gewerkschaft oder in so einer Partei.
Als sie das Grundgesetz ausser Kraft gesetzt haben, gab es kein Medium mehr über das ich hätte etwas sagen können.

Daher bitte ich meine Leser, sofern noch nicht geschehen, sich anzumelden und die Online-Petition zu unterstützen: gegen falsche Lösungen und Zensur, für richtige Maßnahmen!

Zur Online-Petition

Verschärfung des Waffenrechts – Populismus und verstärkte Kontrollen

Bereits 2002 wurde das deutsche Waffenrecht sowie das Jugendstrafrecht in Reaktion auf den Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium verschärft und nach der Tragödie von Winnenden im März diesen Jahres war schnell klar, dass die Politik auch hierauf reagieren wird, sicherlich auch reagieren muss. Und so hat sich die Große Koalition auf weitere, deutliche Verschärfungen des Waffenrechts geeinigt. Doch nicht alles, was die Innenpolitiker der CDU und SPD bisher angedeutet haben, erscheint wirklich lösungsorientiert zu sein.

Dass Waffenbesitzer verstärkt und häufiger als bisher verdachtsunabhängig kontrolliert werden sollen, halten im von Grundsatz her für einen der wenigen wirklich sinnvollen Ansätze. Winnenden hat leider zu deutlich aufgezeigt, dass eine unsachgemäße Verwahrung der Waffen mit zu den Ursachen für diese scheckliche Tat zählt. Und auch ich bin der Meinung, dass die Berechtigung zum Besitz von Waffen schon bei kleinsten Verstössen genauestens überprüft werden sollte. Und auch der Vorschlag, dass Waffen und Waffenschränke durch biometrische Systeme gesichert werden sollen, halte ich für diskussionswürdig. Denn die Gefahr, die von Waffen ausgehen kann, ist nunmal nicht wegzudiskutieren. Und das hat nichts damit zu tun, dass nun alle Waffenbesitzer einem Generalverdacht unterliegen.

Dass ein bundesweites Waffenregister schneller eingerichtet werden soll, klingt auf den ersten Blick auch wie eine gute Idee, ist aber bereits eine bestehende Forderung der Europäische Union und wäre sowieso gekommen. Hier zeigt sich bereits, wie stark der Populismus wieder beim Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und seinen Kollegen zugeschlagen hat. Dies zeigt u.a ein Interview des CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung:

Die Liste der neuen Vorschriften ist lang. So sollen Kampfspiele wie Paintball oder Laserdom verboten werden, bei denen Spieler mit Farbmunition in Luftdruckwaffen oder mit Laserpistolen aufeinander Jagd machen. „Dabei wird das Töten simuliert“, begründete Bosbach das geplante Verbot. Wer dagegen verstößt, begeht künftig eine Ordnungswidrigkeit und riskiert bis zu 5000 Euro Bußgeld.

Einen sehr schönen Kommentar dazu habe ich im Blog von griesgram999 dazu gelesen:

Es war ja klar, dass die untätige Politik nach dem Amok-Lauf irgendwas machen würde, um Tätigkeit zu simulieren, bisher wurde nach so einem Anlass jedoch immer irgendwas verboten oder verschärft, was wenigstens am Rande mit dem Täter zu tun hatte. Aber diese Einschränkung ist nun auch gefallen. Als würde uns die Zensursula nicht schon genug unnötigen Ärger machen mit Ihrer Symbolpolitik die nur der eigenen Selbstdarstellung und Wiederwahl dient.

Hat das noch etwas mit gesundem Menschenverstand zu tun? Mein Sohn hat gestern in der Schule im Sportunterricht eine Note auf Völkerball bekommen. Dieses Spiel hat zum Ziel, möglichst viele Spieler der gegnerischen Mannschaft mit Bällen abzuschießen! Muss das dann auch nicht gleich verboten werden?

Man könnte fast meinen, dass alle Lösungen immer unter der Prämisse gesucht werden, ob die betreffende Zielgruppe eine Wahl beeinflussen könnte! Ob es die Verbote sogenannter Killerspiele sind oder nun die Gotcha-Spieler. Immer betrifft es zahlenmässige Randgruppen, auf deren Stimmen scheinbar verzichtet werden kann, weil man glaubt, den Großteil der Bevölkerung mit fadenscheinigen Lösungsblasen zu beruhigen.

Wo z.B. bleiben die Verbesserungen der Präventions- und Sozialhilfsmaßnahmen! Nach dem Amoklauf in Erfurt hatte der damalige Innenminister Otto Schily gefordert, dass jede Schule eigenen Schulpsychologen benötigt. Wie steht es darum? Schlecht! Im internationalen Vergleich ist Deutschland von der vorderen Plätzen weit entfernt. In Thüringen gibt aktuell gerade nmal 20 Stellen für Schulpsychologen. Bei 172.697 Schülern im Schuljahr 2008/2009 an den allgemeinbildenden Schulen klingt das wie Hohn.

Leere Worte anstelle sinnvolle Taten, das ist mein Fazit! Anstelle sich um diejenigen zu kümmern, die Probleme haben und denen oftmals frühzeitig mit der richtigen Unterstützung hätte geholfen werden können, sucht man das Heil in eher unsinnigen Verboten. Wieder eine Chance vertan. Schade!

Europawahl 2009 – Negative Campaigning der SPD

Finanzhaie würden FDP wählenAls ich kürzlich in Frankfurt zu einem Seminar war, fiel sie mir das erste Mal auf: die Plakat-Kampgne der SPD zur Europawahl 2009 im Juni. Entwickelt von der Werbeagentur Butter handelt es sich doch um eine etwas andere Kampagne, als man sonst zu Wahlzeiten erleben kann: poppig, provokativ und sehr frech versucht sich die SPD von der CDU, der FDP und der Linken abzugrenzen. Auffällig ist das ganze sicherlich und von der Grundgestaltung her muss man der Werbeagentur ein Lob aussprechen: diese Werbung fällt auf, wie das Plakat gegen die FDP zeigt.

Wer Vollpfosten will, muss SPD wählenInhaltlich empfinde ich die Plakate aber als ganz und gar nicht gelungen! Einerseits fällt auf, dass die Grünen nicht mit einem Plakat bedacht werden, hier scheint man nicht den Mut aufgebracht zu haben, sich auf von dem potentiellen Koalitionspartner abzugrenzen. Andererseits bin ich kein Freund von einem reinen Negative Campaigning. Sicherlich ist die inhaltliche Abgrenzung von den anderen Parteien ein extrem wichtiges Themenfeld während eines Wahlkampfes, denn nur so kann man aufzeigen, wofür man steht und wogegen man ist. Aber zeigt die SPD denn wirklich auf, was ihre eigene Position zu den dargestellten Themen ist? Leider nein. Lediglich in ganz klein findet man rechts eine kurze Aussage, die aber weder wirklichen Inhalt noch eine präzise Position darlegt. Und das reciht m.E. überhaupt nicht aus, wenn man diese Art des Campaigning nutzen will.

Niemand wird SPD wählenDementsprechend schnell sind im Web auch genauso provokante Abwandlungen des Plakates aufgetaucht. So spielt eines auf die Aussage von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) an, „wer jetzt Steuererhöhungen fordert, ist ein Vollpfosten“ (s.oben).

Und die Jungen Liberalen Thüringen gehen gleich noch einen Schritt weiter, wie das Bild rechts zeigt. Dieses Motiv wurde umgehend im Web2.0-Stil via Twitter medienwirksam verbreitet. Innovativ scheint das Wahljahr 2009 also auf jeden Fall zu werden und die Bürgerinnen und Bürger dürfen sich sicherlich noch auf einige interessante Wahlkampfideen freuen.

Pleitegeier würden SPD wählenOffiziell hat die FDP inzwischen auch reagiert und ein eigenes Gegenmotiv erstellt, welches zunächst vor allem in Berlin aufgestellt werden soll.

Ob mit diesen Kampagnen die schlechte Wahlbeteiligung – 2004 gingen gerademal 43% der bundesdeutschen Wahlberechtigten zur Europawahl – bekämpft werden kann, bleibt abzuwarten. Aufmerksamkeit erregen diese Aktionen auf jeden Fall und ich hoffe, dass nun auch der Inhalt stärker transportiert wird. Denn Provokation alleine reicht nicht. Ohne Inhalt gehen vor allem die Parteien mit den politisch extremen Positionen in den Wahlkampf, dies darf für die demokratischen Parteien nicht das Ziel werden!

Struwwelpeter soll aus den Kinderstuben verschwinden

Letzte Woche hörte ich während einer Autofahrt im Radio, dass Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber, ihres Zeichens Psychoanalytikerin und Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt, den bekannten Struwwelpeter als für Kinder ungeeignet ansieht. Diese sicherlich den meisten bekannte Geschichte stammt aus dem Jahr 1844 und ist Teil des Werkes Lustigen Geschichten und drolligen Bilder für Kinder von 3 bis 6 Jahren des Frankfurter Psychiaters Heinrich Hoffmann, dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum 200. Mal jährt.

Per Internet-Suche habe ich dann den entsprechenden Artikel Hei! Da schreit der Konrad sehr – Der Struwwelpeter: Eine Fundgrube unbewusster Wünsche und Ängste von Kindern aus der Zeitschrift Forschung Frankfurt, Nr. 1 (2009) gefunden. Hier ein Auszug aus dem Fazit des Artikels:

Bilder wie die abgeschnittenen, blutenden Daumen stimulieren die archaische Qualität der Ängste übermäßig, statt sie zu besänftigen. […] Gerade weil sie zentrale unbewusste Fantasien und Ängste mobilisieren, werden die Kinder intensiv emotional angesprochen: Sie identifizieren sich mit den dargestellten Personen wie Konrad, Paulinchen, dem bösen Friederich und dem Struwwelpeter. Die negativen, drastischen Folgen und Strafen, die die Bildfiguren erleben, wirken auf Anhieb und führen zu drastischen Strafängsten, die das Kind dazu bringen, auf die verbotene Triebbefriedigung zu verzichten. Die Strafängste haben eine archaische Qualität: Sie können vom kindlichen Ich nicht ertragen und müssen daher ins Unbewusste verbannt werden […] Angesichts der vielen wunderbaren Kinderbücher, die uns heute zur Verfügung stehen, um Kinder in ihrem Entwicklungsprozess zu unterstützen, ihre kindlich-archaischen Fantasien zu
differenzieren, zu kultivieren und psychisch zu integrieren, ist zu wünschen, dass der Struwwelpeter aus den heutigen Kinderstuben verschwindet und Erwachsenen und ihrem historischen Interesse vorbehalten bleibt.

Ja, ich muss gestehen: auch ich habe mich als Kind bei diesen Geschichten unwohl sowie ängstlich gefühlt und mir die Frage gestellt, ob meine Eltern das auch mit mir anstellen würden. Ob und wie ich mit meinen Eltern das Gespräch hierzu gesucht habe, kann ich heute aber nicht mehr sagen. Ich weiss nur eins: geschadet haben diese Geschichten meiner Psyche nicht!

Ich halte diesen Wunsch von Frau Prof. Dr. Leuzinger-Bohleber, dass der Struwwelpeter aus den Kinderstuben verschwinden soll, einfach nur für unsinnig und vollkommen realitätsfern. Seit über 150 Jahren gehört diese Geschichte zu unserem Kulturgut, genauso wie die Grimms Märchen, in denen u.a. eine Hexe bei lebendigem Leib verbrannt wird. Sollten wir das dann nicht auch gleich noch verbieten? Sicherlich nicht. ich würde mich sogar darüber freuen, wenn mehr Kinder heutzutage mit diesem Märchen und Geschichten gross werden würden, anstelle von der heimischen Flimmerkiste mit Beiträgen ganz anderer Art überflutet zu werden.

Und mich stört eines an dieser Publikation noch mehr: wurde diese etwa durch Steuergelder finanziert? Leider konnte ich das auf der Website des Sigmund-Freud-Instituts nicht in Erfahrung bringen. Natürlich bin ich grundsätzlich dafür, dass Forschungsinstitute Fördermittel aus den öffentlichen Töpfen erhält, aber nicht unbedingt für jede Art der Forschung. Muss man sich mit diesem Thema wirklich beschäftigen? Gibt es nicht wichtigere Themen im Bereich der Kindeserziehung? Ich glaube schon und daher hoffe ich, dass diese Diskussion ganz schnell dahin verschwindet, wo sie hingehört: in der Versenkung!

SPD will Steuer-Abwrackprämie einführen

Die SDP, allen voran deren Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, scheinen die im Rahmen des Konjunkturpaketes II beschlossene Abwrackprämie in Höhe von 2.500 Euro beim Kauf eines Neu- oder Jahreswagens als Erfolgsmodell anzusehen und planen nun ähnliches in der Steuerpolitk einzuführen. Auch wenn die SPD erst am kommenden Sonntag Details zum Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2009 vorstellen wollen, wurde gestern die SPD-Wahlkampfidee für eine 300-Euro-Prämie bekannt, die diejenigen Bürgerinnen und Bürger erhalten sollen, die auf die Abgabe eine Steuererklärung verzichten. Verheiratete sollen sogar 600 Euro erhalten, sofern es sich um Arbeitnehmer handelt, die neben Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit keine weiteren Einkünfte haben.

Was auf den ersten Blick wie eine gute Idee aussieht, um vor allem Klein- und Durchschnittsverdiener zu entlasten, die keine hohen Werbungskosten beim Fiskus absetzen können, ist meiner Meinung nach bei genauerer Betrachtung ein Armutszeugnis und das offenkundige Eingeständnis der SPD, keine wirklichen Lösungen für die verfahrene Steuerpolitik in Deutschland zu haben. Mit dem vom SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner verkündeten Beitrag für ein einfacheres und gerechteres Steuersystem hat dieser Vorschlag gar nichts zu tun:

Das Steuersystem wird einerseits damit nicht vereinfacht, sondern eher noch komplizierter! Wer erhält denn nun diesen Bonus? Gilt das auch für die Bezieher von Betriebsrenten und Pensionen? Was ist mit Studenten, die nur teilweise im Jahresverlauf arbeiten? Wie sollen die Finanzämter prüfen, ob diejenigen, die diesen Bonus in Anspruch nehmen wollen, auch wirklich „berechtigt“ sind? Der Bund der Steuerzahler befrüchtet daher zu Recht, dass dieser Vorschlag die Bürokratie noch mehr aufblähen könnte. Und: ich befrüchte, dass viele Arbeitnehmer Steuerrückzahlungen verlieren werden, weil ihnen der Aufwand für die Erstellung einer Steuererklärung zu hoch ist, obwohl sie mehr als 300 Euro zurückerhalten könnten.

Andererseits sollen die hieraus veranschlagten Steuerausfälle von rund drei Milliarden Euro durch eine erneute Einführung der Börsenumsatzsteuer und eine erhöhte Reichensteuer finanziert werden.

Vor gut 20 Jahren hatten CDU und FDP die Börsenumsatzsteuer aus guten Gründen abgeschafft worden, das Beispiel Schweden kann hierbei herangezogen werden:

ort war die Börsenumsatzsteuer Mitte der achtziger Jahre eingeführt und 1992 wieder abgeschafft worden. Die geplanten Einnahmen wurden nicht erzielt, auch verlagerte sich ein Teil des Börsenhandels nach London, wo zwar eine Börsenumsatzsteuer existiert – aber auch zahlreichen Ausnahmeregelungen. Auf diesen Umstand verwies in der Vergangenheit der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Ursprünglich habe der schwedische Staat 165 Millionen Euro einnehmen wollen, es seien aber im besten Jahr lediglich neun Millionen Euro gewesen, so der liberale Finanzexperte.

Gerade jetzt, wo sich nach der Finanzmarktkriese die Börsen weltweit langsam wieder erholen, wäre dieser Schritt tödlich für den Finanzstandort Deutschland. Und neue Haushaltslöcher, weil angestrebte Steuereinnahmen ausbleiben, können wir uns wirklich nicht leisten.

Und diejenigen noch mehr zu belasten, die jetzt schon den Großteil des bundesdeutschen Steueraufkommens stemmen, die mittleren Einkommen und die mittelständnischen Unternehmen, hilft uns auch nicht aus der Wirtschaftskrise! Was Deutschland braucht, sind „echte“ Lösungen in der Steuerpolitik: eine Steuerstrukturreform, Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen, ein einfaches Steuerrecht durch Reduzierung der Steuersätze und Abschaffung von Ausnahmetatbeständen. Das schafft Vertrauen und sorgt dafür, dass der Steuerzahler eine faire Chance hat, seine Steuererklärung zu erstellen und entlastet die Finanzverwaltung bei der Prüfung der Steuererklärungen. Aber davon will die SPD scheinbar nichts wissen. Wichtiger scheint es ihr, mit populistischen Pseudolösungen die weltfremden Forderungen der Ex-SED Linken noch zu übertrumpfen, um dort verlorene Wählergunst zurück zu gewinnen.

Mehdorn pocht auf Vertragserfüllung

Ein Nachfolger für den scheidenden Deutsche Bahn Chef Hartmut Mehdorn war mit der Person des Daimler-Managers Rüdiger Grube schneller als gedacht gefunden und alles schien darauf hinzudeuten, dass die Bahn nunmehr langsam aus den Schlagzeilen kommen würde. Weit gefehlt! Denn Herr Mehdorn steht erneut im Feuer der Kritik. Hintergrund sind seine Forderungen nach der vollständigen, finanziellen Erfüllung seines bis Mai 2011 laufenden Vertrages, was de facto eine Abfindung in noch unbekannter Millionenhöhe bedeutet. Ansonsten müsste er rechtliche Schritte einleiten. Schnell wird daraus eine öffentliche Brandmarkung und vor allem die Gewerkschaften reagieren empört.

Was hierbei – erneut – nicht unterschieden wird, ist der Unterschied zwischen rechtlichen und moralischen Konsequenzen. Letzteres zu fordern, ist jedermanns Recht. Die rechtlichen Fragen müssen aber erst noch geklärt werden. In einem Rechtsstaat – und darauf sollten wir stolz sein – müssen Verträge nach dem Grundsatz pacta sunt servanda erfüllt werden. Und damit hat Herr Mehdorn trotz aller Anfeindungen wie jeder andere Bundesbürger das Recht, zur Klärung im Zweifelsfall von Gericht zu ziehen. Denn nur dort kann ein rechtsstaatliches Urteil auf Basis aller beweisbaren Tatbestände erfolgen. Und derzeit stehen Behauptungen u.a. aus der Daten-Affäre im Raum, die erst noch bewiesen werden müssen.

Ob das potentielle Urteil im persönlichen Empfinden aller Bürgerinnen und Bürger am Ende gerecht ist, bleibt offen. Sollte Hartmut Mehdorn kein Fehlverhalten nachzuweisen sein, dürfte es aus meiner Sicht schwierig werden, ihm die vertraglich zugesichteren Zahlungen zu verweigern. Gerade die Gewerkschaften sollten das wissen, sitzen deren Vertreter doch auch im Aufsichtsrat des Staatsunternehmens und dieser Aufsichtsrat hat schliesslich den Vertrag mit Hartmut Mehdorn entschieden. Populismus ist in Deutschland mal wieder en vogue, verantwortungsvolles Handeln sieht anders aus: zunächst muss eine Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe erfolgen und dann kann entschieden werden, ob die Einhaltung des Arbeitsvertrages wirklich notwendig ist!

Deutsche Bahn-Chef zieht die Konsquenzen

Es waren dann doch wohl ein paar Affären zuviel, die dafür sorgten, dass die Deutsche Bahn AG nicht mehr aus den Schlagzeilen kam. Mit jedem Tag wurden neue, noch pikantere Details der Datenaffäre innerhalb des Staatsunternehmens veröffentlicht und der Druck auf Bahnchef Hartmut Mehdorn wurde immer stärker. Nachdem zuletzt auch der bundesdeutsche Politikkader immer seltener ihre Unterstützung demonstrierte, übernahm Mehdorn – endlich – die Verantwortung und bot seinen Rücktritt an:

Meine Damen und Herren, wir befinden uns derzeit am Beginn einer schweren, weltweiten Wirtschaftskrise, die auch für die DB AG und ihre Mitarbeiter gravierende Auswirkungen haben wird. […] Es ist für mich sehr bedrückend, dass sich Eigentümer, Mitarbeiter und Management, jetzt nicht mit aller Kraft auf die Lösung der sich daraus ergebenden Probleme konzentrieren können. Unsere Arbeit der letzten Jahre hat bewiesen, dass dieser Vorstand das Unternehmen und sein Geschäft versteht und deshalb gerade jetzt zur Gestaltung und Zukunftssicherung in schwierigen Zeiten gefragt ist. […] Keine Frage, ein Führungswechsel ist in solch schwieriger Lage nicht ohne zusätzliches Risiko. Aber das – meine Damen und Herren – müssen andere verantworten. Ich habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden daher die Auflösung meines Vertrages angeboten.

Unabhängig davon, dass der Bahnchef weiterhin jede persönliche Schuld von sich weist und auch wenn er in seinen 15 Jahren als Chef der Bahn sicherlich eine weitestgehend erfolgreiche Arbeit gelesitet hat, als Vorstandsvorsitzender ist er aus meiner Sicht durch seine Position verantwortlich für das, was in seinem Unternehmen passiert. Und die Details der Daten-Affäre sind so pikant und unvertretbar, dass dieser Rücktritt zum Schutz der Deutsche Bahn AG notwendig war.

Die Auswirkungen aber können verherrend sein. Nun muss die Bundesregierung hastig einen neuen Bahn-Chef suchen und schon zeigt die Große Koalition erneut, wie uneinig sie doch ist. Während die SPD erneut eine gemeinsame Führung sowohl der Holding der Deutsche Bahn AG und der zur Privatisierung anstehenden DB Mobility Logistics fordert, präferiert die CDU dagegen eine Doppelspitze. Und da parallel auch der Finanzvorstand Diethelm Sack das Unternehmen verlassen wird, wird die Suche nach potentiellen Nachfolgern sowieso nicht einfach. Wer besitzt einerseits den notwendigen fachlichen Background, ein Unternehmen dieser Größenordnung zu führen und schafft es andererseits, sich gegen die viele Mitsprachewünsche der Politik durchzusetzen? Man kann schon fast behaupten, dass der Posten des Vorstandsvorsitzenden schnell zu einem Schleudersitz werden kann.

Denn gerade der hohe Einfluss der Politik kann sich in einer der Kernthemen der Bahn zu einem Bumerang entwickeln: wie bitte soll man potenziellen Investoren überzeugen, sich an der anstehenden Teilprivatisierung zu beteiligen, wenn es die Mitsprache deutlich eingeschränkt ist? Aus Sicht von Bankenkreisen ist eine Öffnung für private Anteilseigner unter Umständen für Jahre unmöglich. Es bleibt abzuwarten, inwiefern der laufende und für die Sanierung notwendige Wandlungsprozess von einem Staatsunternehmen zum Dienstleister dadurch zurückgeworfen wird. Vor allem Provinzpolitiker, denen die Privatisierungspläne von Anfang an ein Dorn im Auge waren, werden nun am lautesten jubeln. Hoffetlich bleibt ihnen dieses Lachen schon bald in der Kehle stecken.

Winnenden, die Presse und die Reaktionen der Politiker

Die Tragödie von Winnenden offenbart leider erneut, dass unsere Gesellschaft nicht in der Lage ist, den Amoklauf eines labilen Menschen zu verhindern. Wer gehofft hatte, dass nach den Ereignissen in Erfurt im Jahr 2002 durch die erfolgten Verschärfungen des Waffenrechts und des Jugendstrafrechts solchen Taten entgegengewirkt wurde, musste nun erkennen, dass dies nicht ausreicht, gar nicht ausreichen kann. Die schmerzhafte Wahrheit ist, dass wir solche Taten nie verhindern werden können. Aber gerade deswegen muss es in der Politik und in der Gesellschaft noch stärker und vor allem sinnvoller diskutiert werden, wie ein soziales Frühwarnsystem aufgebaut sein könnte, um die Signale, die potentielle Täter in der Regel aussenden, erkennen zu können. Dazu gehören u.a. mehr Lehrer, kleinere Klassen und ausgebildete Schulpsycholgen.

Aber auch Politiker, die nicht einfach pauschalisierte Patentrezepte propagieren. So wie etwa der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU):

Das im Juli 2008 reformierte Jugendschutzgesetz, unter anderem mit dem Ziel, den Jugendschutz im Hinblick auf Computerspiele zu verbessern, ist nicht ausreichend. Bei dem Amoklauf in Winnenden zeigt sich erneut, dass der Täter im Vorfeld seiner Tat sich intensiv mit so genannten Killerspielen beschäftigt hat. […] Deshalb brauchen wir: 1. strafrechtlich konkretisierte Verbotsnormen 2. eine Umgestaltung der Struktur und Arbeitsweise der USK, um Herstellerinteressen zurückzudrängen und effektive behördliche Überprüfungsmechanismen zu verankern.

Gleichzeitig erklärt unser Innenminister Wolfgang Schäuble, ebenfalls CSU, dass ein schärferes Waffenrecht den Amoklauf von Winnenden nicht hätte verhindern können. Wie perfide ist das denn? Natürlich wird ein potentieller Täter es immer schaffen können, sich Waffen zu besorgen oder selber herzustellen. Aber muss ein Familienvater wirklich 18 Waffen und 4.500 Schuss Munition zu Hause lagern? Ich halte das für verantwortungslos, ja sogar grob fahrlässig. Hier muss auf jeden Fall meiner Meinung nach angesetzt werden.

Sehr enttäuscht hat mich aber auch das Vorgehen von Teilen der Presse. Stefan Niggemeier hat in seinem Blog in zwei wirklich interessanten Artikeln unter den Titeln Pöbeljournalismus und Amok twittern das Vorgehen u.a. von Stern und Focus dokumentiert hat.

Stern: Amok twitter

Die Pressefreiheit zählt zu den wichtigsten Grundfreiheiten einer Demokratie und muss geschützt werden. Aber Freiheit zu haben bedeutet auch Verantwortung zu übernehmen. Ist diese Art der Presseveröffentlichung via Twitter noch verantwortungsvoll oder angemessen. Eindeutig Nein! Damit wird der Populismus nur noch weiter angeheizt und nur Sensationsgier befriedigt. Das muss wirklich nicht sein!