Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert sogenannten „Schultrojaner“

Mal wieder zeigt sich, wie positiv sich doch eine kritische Auseinandersetzung im Internet auf die klassischen Medien und vor allem die Politik auswirken kann. Aktueller Anlaß ist die Berichterstattung des Online-Portals Netzpolitik.org zum geplanten Schultrojaner: vor gut einer Woche wurde dort das erste Mal darüber berichtet, die Bundesländer mit Schulbuchverlagen und Verwertungsgesellschaften bereits Ende 2010 einen Rahmenvertrag für die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke in Schulen geschlossen haben, der u.a. vorsieht, dass mittels einer sepziellen Software die Server von ein Prozent aller Schulen nach unerlaubten Kopien aus Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien durchsucht werden sollen. Also eigentlich weniger ein Trojaner, sondern eine gezielte Suche nach digitalen Raubkopien. Sukzessive wurde weiter darüber berichtet, bis dann Ende letzte Woche über das Thema bundesweit auch via Radio und Printmedien berichtet wurde und nun auch zu einer Reaktion seitens der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geführt hat:

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will den geplanten Einsatz eines Programms zur Suche nach Raubkopien auf Schulcomputern stoppen. Die FDP-Vizechefin sagte […], sie halte diese Vereinbarung zwischen der Kultusministerkonferenz (KMK) und den Schulbuchverlagen für „unmöglich“. Es dürfe keine Trojaner-Technik eingesetzt werden, deren genaue Möglichkeiten noch gar nicht geklärt seien. […] „Das bringt mich auf die Palme!“

Wie wahr! Dass alleine auf Basis eines pauschalen Generalverdachts die Schulrechner systematisch nach potentiellen Urheberrechtsverstössen durchsucht werden, erinnert schon etwas an Stasi-Methoden. Nur dann, wenn ein dringender Verdachtsfall vorliegt, darf m.E. auf Basis einer gerichtlichen Anweisung eine Prüfung erfolgen. Ansonsten könnte man ja den Verlagen auch gleich noch gestatten, einfach mal die Wohnungen von Schülern auf eigene Veranlassung zu durchsuchen. Und was man auch nicht vergessen darf: auf den Schulrechnern werden auch personenbezogene und persönlichste Daten von Schülern gespeichert: Adressdaten, Zeugnisse, Beurteilungen etc. Wer garantiert, dass diese Daten nicht mitübertragen und ausgewertet werden können?

Nein, das was hier die Bundesländer mit den Verlagen vereinbart haben, geht einfach zu weit und kann aus Datenschutzgründen nicht toleriert werden. Ich hoffe, dass durch die inzwischen intensive Berichterstattung dem ganzen endgültig ein Riegel vorgeschoben wird!

Das griechische Referendum – der richtige Weg

Griechenlands Ministerpräsident Georgios Papandreou kündigt an, dass das Volk über das Referendum zum – in Griechenland umstrittenen – Sparkurs abstimmen zu lassen und wird nächste Woche bereits die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Die Reaktionen sind eindeutig: Die Verärgerung über den Alleingang des Premierministers ist groß. Die Kanzlerin verlangt Klarheit von Papandreou, in der Berichterstattung wird tendenziell Unverständnis für diesen Schritt geäußert, da die Risiken zu hoch sein:

Aber wenn es wirklich darum gehen sollte, den Schuldenschnitt vom Volk absegnen zu lassen, kann Papandreou nicht darauf hoffen, dass die Griechen zustimmen. Denn sie wissen: Der Haircut wird mit neuen, noch härteren Sparmaßnahmen verbunden sein. Dabei stöhnen die Menschen jetzt unter dem Sparkurs der Regierung. Die Wirtschaft rutscht immer tiefer in die Rezession, immer mehr Jobs gehen verloren. Nach einer aktuellen Meldung von Eurostat erreichte die Arbeitslosenquote im Juli 17,6 Prozent. In der Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren sind schon mehr als 40 Prozent der Griechen ohne Arbeit. Die Hoffnung, Griechenlands Wirtschaft werde im nächsten Jahr wieder zum Wachstum zurückkehren, hat sich bereits zerschlagen. Frühestens 2013 erwarten die Volkswirte ein Ende der Rezession. Sollte Papandreou wirklich erwarten, dass die Griechen unter diesen düsteren Vorzeichen dem Schuldenschnitt und weiteren Sparmaßnahmen grünes Licht geben, hätte er wohl jeden Realitätssinn verloren. Erst diesen Monat zeigte eine Meinungsumfrage: 85 Prozent sehen das Land „auf dem falschen Weg“, 92 Prozent sind mit der Regierung unzufrieden.(Quelle)

Ich finde, dass George Papandreou trotz aller dieser Risiken das einzig Richtige tut. Ich möchte nicht wissen, wie wir Deutschen reagieren, wenn die EU einen ähnlichen Schritt von uns verlangen würde – im Radio hörte ich heute, dass das griechische Sparpaket auf Deutschland übertragen bei rund 100 Mrd. Euro im Jahr liegen würde! So eine gravierender Einschnitt kann nur umgesetzt werden, wenn das Volk hinter den Maßnahmen steht und das kann man nur über ein Referendum erreichen. Das nennt sich Demokratrie und darauf sollte eigentlich Europa basieren. Dass es keine wirklichen Alternativen zum Sparpaket gibt, ist bei uns sicherlich Mehrheitsmeinung, aber darauf kommt es nunmal weniger an.

Was man sicherlich kritisieren muss, ist der Zeitpunkt – leider kommt das Referendum zu spät. Bereits mit dem ersten Hilfspaket hätte es gestartet werden müssen. Das läßt sich nun nicht mehr ändern. Lieber spät als gar nicht. Natürlich ist das Referendum ein Wagnis, aber das ist Demokratie immer. Spricht sich das griechische Volk für den Sparkurs aus, dürfte das Vertrauen in den Euro und Europa wieder steigen – etwas, was der Eiertanz der letzten Monate nicht erreichen konnte. Freilich wäre das Ergebnis einer Ablehnung durch das griechische Volk ein Disaster – eine Staats-Insolvenz wäre nicht zu vermeiden, Griechenland darf dann keine weitere EU-Hilfen mehr erhalten und die Rückkehr zur Drachme dürfte nicht abzuwenden sein. Ein schlimmes Szenario für Griechenland, aber auch für Europa? Ich glaube nicht.

Die HRE und der 55.500.000.000 Euro Fehler

Dass sich der Schuldenstand der Bundesrepublik Deutschland um 55,5 Mrd. Euro verringert hat, klingt zunächst positiv. Dass dies eine Reduktion der Schuldenquote um 2,6 %-Punkte auf 81,1% des Bruttoinlandproduktes bedeutet, auch noch, wenngleich wir damit immer noch weit weg sind vom Maastricht-Kriterium, welches eine max. Schuldenquote von 60% vorgibt. Warum also reagieren Politker wie der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, wie folgt:

Das ist kein Betrag, den die schwäbische Hausfrau in einer Keksdose versteckt und vergisst. Der unbefangene Beobachter gewinnt den Eindruck, dass das Finanzministerium angesichts immer neuer Rettungspläne völlig die Übersicht verloren hat. Milliarden sind nicht mehr so wichtig. Wir rechnen in Billionen.

Hintergrund für diese Äußerungen sind die aktuellen Veröffentlichungen, dass sich die Banker der bundeseigenen Bank FMS Wertmanagement sich kräftig verrechnet haben resp. dass die Bank die Milliarden schlicht falsch gebucht hat – mit dramatischen Folgen:

Der kapitale Milliardenfehler in den Bilanzen der Bad Bank (FMS Wertmanagement) [der Hypo Real Estate (HRE)], die komplett dem Staat gehört, war vor allem durch fehlerhafte Doppelbuchungen seit dem vergangenen Jahr entstanden. Im Prinzip wurden quasi Addition und Substraktion verwechselt.

Das alles kann man derzeit in vielen Berichten lesen und das klingt natürlich mehr als nur peinlich. Es gibt aber einzelne Aussagen, wie z.B. auf sueddeutsche.de, die mich aufhorchen lassen! Demnach konnte die FMS Wertmanagement im vergangenen Jahr Vermögenswerte von gut 31 Mrd. Euro veräußern, was die Bilanz der FMS und damit auch den Bund entlastet. Das klingt für mich weniger nach einem Rechen- oder Bilanzierungsfehler. Und ferner soll es um Sicherheitsleistungen für Forderungen und Verbindlichkeiten im Rahmen von Finanzderivaten in Höhe von 24,5 Mrd. Euro gehen, die nicht saldiert wurden, sondern jeweils separat in der Aktiva und Passiva der Bilanz ausgewiesen wurden, auch wenn diese mit denselben Geschäftspartnern bestanden. Das klingt auf den ersten Blick unlogisch und wird u.a. wie folgt kommentiert:

Wenn Lieschen Müller Tante Emma 100 Euro schuldet und gleichzeitig 80 Euro von ihr zu bekommen hat, dann schuldet sie ihrer Tante netto nur 20 Euro.

Das mag für diesen einfachen Fall gelten, aber nicht immer ist das deutsche resp. internationale Bilanzierungsrecht so einfach. Ich bin zwar kein Bilanzbuchhalter, aber soweit ich weiss, kann man nicht immer alles einfach saldieren.

Ich bin daher mal sehr gespannt, was in den kommenden Tagen an weiteren Details zu dieser 55,5-Milliarden-Euro-Panne berichtet wird. Sollte es sich herausstellen, dass hier massiv Saldierungsmöglichkeiten nicht genutzt wurden, ohne dass Wirtschaftsprüfer und Kontrollgremien etwas gemerkt haben, dann ist das wirklich oberpeinlich und muss geprüft werden. Eventuell ist die aktuelle Berichterstattung in den Medien aber auch (mal wieder) eine grobe Simplifizierung eines komplexen Sachverhaltes zu Gunsten der Auflagenzahlen…..

EFSF-Sondergremium durch BVG vorerst untersagt

EFSF-Sondergremium durch BVG vorerst untersagtUm in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit die Rechte des Bundestages an den Entscheidungen der EFSF – Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität wahrzunehmen, hat der Bundestag am Mittwoch ein EFSF-Sondergremium eingesetzt, welches aus neun Mitglieder des Haushaltsausschusses besteht: drei Vertreter der CDU/CSU-Fraktion, je zwei Vertreter der FDP- und der SPD-Fraktion sowie je ein Vertreter der Fraktionen von Die Linke und der Grünen. Doch dazu wird es zunächst nicht kommen, den das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat per einstweiliger Anordnung dieses Sondergremium verboten:

Die Rechte des Bundestags bei der Euro-Rettung dürfen nicht von einem Sondergremium aus lediglich neun Parlamentariern wahrgenommen werden. […] Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm weise zwar dem Haushaltsausschuss eine Sonderrolle zu. Sie könne aber „nicht durch ein ,Minigremium‘, das an dessen Stelle entscheide, ausgehebelt und unterlaufen werden. […] Im Gesetz sei zudem darauf verzichtet worden, die Mehrheitsverhältnisse im Plenum in dem Gremium abzubilden.

Ich freue mich über diese Entscheidung, denn ich kann einfach nicht nachvollziehen, welche Entscheidungen im Rahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität geheim, schnell und vor allem an der Mehrheit der Parlamentarier vorbei getroffen werden müssten. Wenn schon Millionen von Steuergeldern für notwendige Rettungsschirme verwendet werde müssen, dann bitte muss diese Entscheidung auf breiter parlamentarischer Basis und nach intensiven Diskussionen erfolgen … nicht einfach nebenbei!

EU erhöht den Druck auf Deutschland wegen Vorratsdatenspeicherung

Die EU-Kommission hat laut einer aktuellen Pressemitteilung Deutschland und Rumänien eine Frist von zwei Monaten gesetzt, um die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Im März 2010 hatte – wie damals zu erwarten war – der Bundesgerichtshofes das vorgesehene bundesdeutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig angesehen und mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Hintergrund war i.w. der besonders schwere Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bei der Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten, da damit inhaltliche Rückschlüsse bis in die Intimsphäre ermöglicht und somit auch Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden könnten. Ein neuer Gesetzesentwurf wurde bisher nicht vorgelegt, das deutsche Justizministerium arbeitet jedoch seit längerem an einer modifizierten Umsetzung der Richtlinie. Ziel ist es dabei, die Eingriffe in die Privatsphäre deutlich zu reduzieren. Doch offenkundig erwartet die EU-Kommission eine uneingeschränkte Umsetzung:

Die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten schreibt Telekommunikationsbetreibern und Internetanbietern zwingend vor, Verbindungs- und Standortdaten für die Strafverfolgung zu speichern. Die Verzögerung bei der Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht durch Deutschland und Rumänien könnte negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt für elektronische Kommunikation sowie auf die Fähigkeit von Justiz- und Polizeibehörden haben, schwere Straftaten aufzudecken, zu untersuchen und zu verfolgen.

Ich hoffe sehr, dass sich die Bundesregierung hier nicht unter Druck setzen läßt. Bis dato ist meines Erachtens immer noch nicht bewiesen, dass die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote erhöhen resp. die Zahl der begangenen Straftaten reduzieren könnte. Laut einem Artikel bei Heise online aus Januar 2011 unterlegt die polizeilichen Kriminalstatistik, dass die verdachtsunabhängige Datenspeicherung bei der Aufklärung schwerer Straftaten nicht weiter geholfen hatte. Warum also ohne Not die Bürgerrechte einschränken?

Aktuelles zum Censilia-Internetzensurgesetz

Aktuelles zum Censilia-InternetzensurgesetzSo wie Ursula von der Leyen letztes Jahr in der Blogosphäre für ihren Einsatz für das umstrittene Internetzensurgesetz den Spitznamen Zensursula bekommen hatte, so hat es nun auch die EU-Kommissarin für Inneres, Cecilia Malmström, erwischt: sie wird nun internetweit mit dem Begriff Censilia verbunden. Die von Ihr vorgestellten Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie der EU-Kommission beinhaltet in 26 Artikeln zwar viele nachvollziehbare und sinnvolle Regelungen, aber leider wird damit auch die Diskussion über Netzsperren neu gestartet und dabei nahezu dieselben Argumente der deutschen Sperrbefürworter benutzt, die durchweg widerlegt worden!!! Hierzu sind heute zwei wirklich hervorragende und lesenswerte Artikel erschienen, die sich dem Thema sehr sachlich nähern und (erneut) darlegen, wie widersinnig die Argumente sind:

Da wäre zunächste ZDNet.de mit dem Artikel Vorwand Kinderpornografie: EU-weites Zensurgesetz droht, der sich intensiv mit den Inhalten und der Entstsehungsgeschichte der Initiative beschäftigt und zu folgendem Fazit kommt:

Man darf nicht davon ausgehen, dass „Censilia“ Malmström die Websperren in guter Absicht vorschlägt. Dazu war sie auf der Pressekonferenz am Montag viel zu gut über die Diskussion in Deutschland informiert. […] Dass die Meinungs- und Informationsfreiheit bei der Darstellung von Kinderpornografie im Internet aufhört und dass der Schutz der Menschenwürde der missbrauchten Kinder Vorrang hat, ist auch unter den Sperrgegnern unumstritten. Das Problem liegt darin, dass die Sperren einerseits keine Wirkung zeigen und andererseits das sensible Thema Kinderpornografie dazu missbraucht wird, einen Vorwand zu liefern, europaweit eine Sperrinfrastruktur zu errichten.

Auf SpiegelOnline kommentiert man die aktuelle Initiative nicht nur unter dem Motto Warum der Sperren-Streit Zeitverschwendung ist, man führt auch die sieben wichtigsten Argumente gegen Netzsperren auf wie z.B.:

Der Großteil aller kinderpornografischen Inhalte, die weltweit vertrieben, getauscht, angesehen werden, stammt nicht von frei verfügbaren Websites. Pädophile bedienen sich in der Regel anderer, weniger offensichtlicher Kanäle: Peer-to-Peer-Netzwerke, Chatrooms, geschlossene Foren. Oder sie nutzen den Postweg. Man hat es hier mit organisierter Kriminalität zu tun. Der wird man nur Herr, wenn man sie mit polizeilichen Methoden bekämpft: Observation, Infiltration, Razzien. Dazu braucht man vor allem Ressourcen, Beamte, Zeit. Und den Willen, all das zu finanzieren.

Wollen wir hoffen, dass diese Argumente nun auch europaweit dieselbe Wirkung zeigen wie letztes Jahr in Deutschland und dieser erneute Versuch, die Bürger für dumm zu verkaufen und über die Hintertür eine Zensurstruktur zu installieren, ins Leere läuft.

EU will Internetsperren einführen

In den letzten Monaten hatte die Diskussion zum Thema Internet-Sperrlisten gegen Kinderpornographie sowohl in der Politik wie in der Blogosphäre zu heftigen Diskussionen geführt. Die von der Großen Koalition noch beschlossenen Netzsperren wurden dann aber von der neuen CDU-FDP-Bundesregierung ausgesetzt. vernunft hatte sich durchgesetzt, Vernunft darüber, dass mit Stoppschildern keine wirkungsvolle Kriminalititätsbekämpfung erreicht werden kann. Wer Tücher über Opfer ausbreitet und denkt, dass damit der Täter bestraft wird, hat zu kurz gedacht. Löschen statt Sperren war die Gegenforderung gewesen, eine Forderung, die die Bundesregierung nun in den Fokus stellen wollte. Doch leider sieht es aktuell so aus, als wenn es ganz anders kommen würde!

Die Europäische Kommission unter Leitung der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström will alle EU-Staaten verpflichten, den Zugang zu kinderpornografischen Webseiten zu blockieren.

Die geplanten Websperren sind Teil einer umfassenden Richtlinie zum Kinderschutz, die mit den dunklen Ecken des Internets und den kriminellen Bildern von Kindesmissbrauch aufräumen soll. […] Sollte die neue EU-Richtlinie Realität werden, entstünde in Deutschland eine paradoxe Situation: Die Bundesregierung müsste genau die Websperren einführen, die sie gerade ausgesetzt hat, um stattdessen ein Löschgesetz zu forcieren.

Auch wenn die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) diesn EU-Vorstoss ablehnt, gibt es doch wieder eine Reihe von Befürwortern der Netzsperren. Besonders die beiden folgenden Blog-Beiträge haben mich masslos geärgert:

WDR2: Internetsperren für Kinderpornografie / Autorin: Katrin Brand

Wenn alle sie darin unterstützen, auch die zögerliche Bundesregierung. Sie will die Seiten lieber löschen lassen, statt sie zu sperren, weil Sperren sich umgehen lassen. Das stimmt. […] Sperren hat auch nichts mit Zensur oder Eingriff in die Meinungsfreiheit zu tun. Kinderpornographie ist nie, unter keinen Umständen eine Meinung, sondern immer ein Verbrechen.

Kennzeichen Digital – Das BlogInternet: Höchste Zeit für Netzsperren gegen Kinderpornos

Wir haben lange genug gewartet. Auch Deutschland konnte sich bei dem „Kinderpornografie-Gesetz“, das letztes Jahr verabschiedet wurde, nicht auf konkrete weitgehende Maßnahmen gegen Pädophilie und Kinderpornografie im Netz durchringen, hatte die Internetsperren sogar abgelehnt. Das ist ein Skandal.[…] Gegner der Internetsperren befürchten eine weitergehende Zensur im Netz. Die EU-Kommission machte aber deutlich, dass es ihr nur um den Kampf gegen Kinderpornografie und den Schutz der Kinder gehe. Deutschland kann sich nicht weiter auf dem Recht auf freie Meinungsäußerung ausruhen.

Scheinbar scheinen alle konstruktiven Diskussionen bei einigen Vertretern der Medien nicht angekommen zu sein:

  1. Niemand setzt Kinderpornographie mit freier Meinungsäußerung gleich!!!!
  2. Wer Kinderpornographie im Internet bekämpfen will, muss die entsprechenden Seiten komplett löschen lassen und diejenigen strafrechtlich verfolgen, die diese Seiten eingestellt haben. Wer Stoppschilder fordert, forciert das Wegsehen!
  3. Wenn erstmal Netzsperren technisch umgesetzt sind, könne diese leicht für weitere Zensurmaßnahmen eingesetzt werden. Und das ist die grosse Gefahr, die in der Internet-Community gesehen wird.

Auch wenn die EU-Kommission aktuell ausschliesslich die bekämpfung der Kinderpronographie im Auge hat, so läßt sich der Adressatenkreis ganz schnell anpassen. Das zeigen Forderungen der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) im vergangenen Jahr, das bundesdeutsche Gesetz für Zugangssperren im Internet auch auf unzulässige und jugendgefährdende Inhalte auszuweiten. Solche und ähnliche Forderungen werden der EU-Kommission schnell gestellt werden, davon ist auszugehen. Und – man kann es wohl nicht oft genug sagen – das Grundthema bleibt für viele: Löschen statt Sperren !!!Damit wird die Kinderpornographie im Internet eingedämmt. Nur ist dieser Weg schwieriger und arbeitsintensiver – zu arbeitsintensiv für unsere EU-Politiker???

BVG kippt deutsche Vorratsdatenspeicherung

Ja, es ist ein guter Tag für den Datenschutz in Deutschland: wie erwartet hat der Erste Senat des Bundesgerichtshofes heute das bundesdeutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig angesehen und mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Kernpunkt der Kritik ist der besonders schwere Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bei der Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate, da damit inhaltliche Rückschlüsse bis in die Intimsphäre ermöglicht und somit auch Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden könnten. Daher müssen auch alle bisher gespeicherten Daten umgehend gelöscht werden.

Wer sich ferner erhofft hatte, dass es zukünftig keine Vorratsdatenspeicherung mehr geben wird, dürfte heute enttäuscht worden sein oder wie die Süddeutsche kommentiert: Die Gegner der Datenspeicherung haben gewonnen, aber nicht gesiegt.. Gemäß dem Urteil wird die anlasslose Speicherung der Daten bei den Telefonunternehmen nämlich verfassungsrechtlich nicht schlechthin verboten, d.h. unter sehr stregen Auflagen darf die zu Grunde liegende EU-Richtlinie auch in Deutschland umgesetzt werden. Dass dieser – aus meiner Sicht nachvollziehbare – Kompromiss nicht immer auf Gegenliebe stösst, zeigen die entsprechenden Kommentare auf netzpolitik.org. Meines Erachtens wird hier oftmals vergessen, dass eine Grundfreiheit keinen höheren Wert hat als eine andere. Datenschutz und Bürgerrechte gehören zu unseren höchsten Gütern, aber auch das Verfolgen und Verhindern von Straftaten erfordert in einer modernen Welt sachgerechte Methoden. Und in begründeten und engumgrenzten Einzelfällen muss es möglich sein, auf entsprechende Telekommunikationsdaten zurückgreifen zu können. Es darf eben nur nicht willkürlich und ohne Rechtsprüfung erfolgen!

Vor allem war heute aber auch ein peinlicher Tag für die SPD und die CDU! Schliesslich war es die Große Koalition, die dieses Gesetz seinerzeit so beschlossen hatten und damit einen laxen Umgang mit dem Thema Bürgerrechte offenbarten. Aber nicht alle in der SPD scheinen sich hieran erinnern zu wollen. Dass sich der Thüringer SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie über das Urteil erfreut zeigte und sein Kommentar sind für mich blanker Hohn:

Die Freiheit des Einzelnen, die informationelle Selbstbestimmung und der Datenschutz sind hohe Güter, welche wir nicht leichtfertig auf dem Altar der Terrorbekämpfung opfern dürfen.

Richtig. Viele wussten das aber schon vor diesem wichtigen Urteil!

Steuersünder-Daten – Darf der Staat das Recht beugen?

Die aktuelle Diskussion über den möglichen Kauf einer Steuersünder-CD zeigt, wie weit das Rechtsempfinden der Deutschen gesunken ist. Zwei Drittel der Deutschen sind nach dem Zwischenstand einer aktuellen Umfrage bei Spiegel Online dafür, dass der Staat rund 2,5 Mio. Euro ausgibt, um die Daten von voraussichtlich 1.500 bundesdeutschen Steuersündern zu kaufen – verbunden mit der Erwartung, geschätzte 100 Mio. Euro Steuernachzahlungen zu erhalten. Ein Supergeschäft!

Richtig, mathematisch gesehen, eine Rendite von 4.000% !!! Dafür lohnt es sich doch, das Recht zu beugen. Selbst die Grünen, einer deren Slogans Deine Daten gehören Dir – Datenschutz ist Bürgerrecht lautet, stimmt hier dem Eingehen einer Straftat zu. Schliesslich ist die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ja dereselben Meinung, da darf man seine eigene Programmatik schnell mal über den Haufen werfen.

Der Kauf von gestohlenen Waren ist nach meiner laienhaften Einschätzung Hehlerei, somit nicht rechtens und ist auch gar nicht mit einer Belohnung zu vergleichen, was aktuell gern als Argument angebracht wird. Belohnt wird, wer dabei hilft, eine Straftat aufzuklären, indem er sachdienliche Hinweise gibt. Ich habe noch nie davon gehört, dass man gleichzeitig dazu aufruft, dabei eine Straftat zu begehen. Wie kann der Staat von seinen Bürgern verlangen, dass diese sich an die Gesetze halten, wenn der Staat gleichzeitig aufgrund der schlechten Haushaltslage das Gegenteil macht und auch noch offen zugibt. Dann braucht ja auch niemand mehr ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man Schwarzarbeiter nutzt, um die Kosten zu drücken. Dann kann man ja auf Arbeit in die Kasse greifen, um die eigene Finanzlage zu verbessern.

Ich will nicht falsch verstanden werden: der Staat muss gegen Steuersünder vorgehen, mit allen legalen Mitteln, die zur Verfügung stehen. Es ist unfair gegenüber der Masse an ehrlichen Steuerzahlern, dieses soziale System zu untergraben. Wenn wir aber immer mehr das Recht aufweichen, wo ist dann zukünftig die Grenze? Dürfen dann nicht auch bald Wanzen in Wohnungen ohne richerlichen Beschluß angebracht werden, schliesslich ist es ja zum Vorteil der Mehrheit der Bevölkerung. Wie wäre es denn, alle diejenigen mal vorsorglich zu verhaften, die mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen und somit eventuell nennenswert Steuern hinterzogen haben – vielleicht gesteht der ein oder andere dann.

Wenn der Staat damit anfängt, über dem Gesetz zu stehen, machen wir meines Erachtens einen sehr grossen Fehler, der sich erst mit der Zeit auswirken wird. Und nicht unbedingt zum Positiven.

Neuerungen im BKA-Gesetz seit einem Jahr nicht genutzt

Ende 2008 wurden Änderungen im sogenannten BKA-Gesetz – die komplette Bezeichnung lautet im übrigen Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten – beschlossen, die schon um Vorfeld mehr als nur umstritten waren: das BKA kann seitdem Privat-Wohnungen mit Wanzen und Video-Kameras überwachen und Computer online durchsuchen. Mehrere Personen, darunter die bekannte Journalistin Bettina Winsemann und der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) haben daraufhin 2009 Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingereicht, da das Bundeskriminalamt damit die Möglichkeit zugestanden bekommen hat – analog dem Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst -, zu ermitteln, bevor überhaupt eine Straftat begangen wurde. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes steht noch aus.

Interessanterweise habe ich heute morgen im Radion auf der Fahrt zur Arbeit gehört, dass die Neuerungen des Gesetzes kein einziges Mal seit Ende 2008 angewendet wurden! Dabei war diese Gesetzes-Änderung doch laut dem seinerzeitigen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble so wichtig gewesen:

Das Gesetz sei ein „wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland“, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nach der Kabinettssitzung. Die Regierung schaffe damit die „erforderlichen Befugnisse des Bundeskriminalamtes im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“. Erstmals erhalte das BKA eine eigene Befugnis zur Gefahrenabwehr.

Nun könnte man zur Annahme kommen, dass die Gesetzesänderung deswegen keine Anwendung findet, weil das BKA davon ausgeht, dass das BVG diese Änderung kippen wird. Aber das wäre sicherlich schon arg ketzerisch. Berechtigt ist für mich aber die Frage, ob diese Gesetzesänderung wirklich so dringend benötigt wurde, wenn sie praktisch gar nicht genutzt wird …